Ein Beispiel der Endogamie in meiner Familie

Letztes Update erfolgte am 05.09.2023

Nach gründlicher Archivforschung hat sich herausgestellt, dass es sich bei 6 von 8 Urgroßeltern meiner Großmutter und ihrer Cousinen 2. Grades um die gleichen Personen handelt! Das nennt man Endogamie. Eine Generation weiter kommen Johann Martin Meier und Anna Elisabetha Wolf zweimal im Stammbaum ihrer Cousinen 2. Grades vor. Das nennt man Ahnenschwund.

Da die mir bekannten Vorfahren von Elisabetha Antoni, meiner Großmutter mütterlicherseits, alle unterschiedliche Nachnamen aufweisen, habe ich mich mit Endogamie bis vor kurzem überhaupt nicht beschäftigt.

Doch dann kamen die Ergebnisse von V.A. und E.A.S., beide Cousinen 2. Grades meiner Großmutter. Ich wollte die beiden testen, um die gemeinsamen DNA-Segmente der Linie meines Urgroßvaters, Heinrich Antoni, zuordnen zu können. Mit Überraschung stellte ich jedoch fest, dass der Anteil identischer DNA weit höher lag, als es für diesen Verwandtschaftsgrad üblich wäre.

Laut der Bettinger Tabelle auf https://dnapainter.com/tools/sharedcm würde man bei einem 2C1R (Neffe oder Nichte 3.Grades) durchschnittlich 123cM erwarten und 74cM bei 2C2R (Großneffe oder Großnichte 3. Grades).

Die Ergebnisse meiner Familie sahen aber so aus:

Was war denn da los?

Nachdem ich meiner Familie von diesem Ergebnis erzählt hatte, erinnerte sich meine Mutter daran, dass der ältere Bruder von Klemens sehr eng mit meinen beiden Urgroßeltern, Ottilia Arnhold und Heinrich Antoni befreundet war, weil er ein Cousin 1.Grades sowohl von Ottilia als auch Heinrich von beiden Seiten war. Ich kontaktierte weitere Familienmitglieder, die diese Geschichte bestätigen konnten und erfuhr zugleich, dass die Mutter von Klemens Sophia Arnhold hieß.

Das war also die Erklärung für die erhöhten Anteile gemeinsamer DNA! Obwohl der Anteil immer noch etwas zu hoch für dieses Verhältnis schien, habe ich das zunächst den Abweichungen von der Norm zugerechnet, die umso häufiger auftreten, je weiter das Verwandtschaftsverhältnis ist.

Bis mir zufällig auffiel, dass V.A. auch mit K.M.Q. verwandt war, einem meiner amerikanischer DNA-Treffer bei Ancestry. (E.A.S. hat bei 23andme getestet und konnte mit K.M.Q. nicht verglichen werden.)

Das hätte eigentlich nicht der Fall sein sollen. Mit K.M.Q. haben wir damals sehr schnell einen gemeinsamen Vorfahren gefunden – was an sich erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass es sich bei diesem Vorfahren um einen MILLER handelt. Simon Miller/Müller und Rosa Louis waren laut Kirchenbucheintrag die Eltern meiner Ururgroßmutter Sophia Miller. Laut den Dokumenten, die K.M.Q. von ihrem Onkel erhielt (und an mich weiterleitete), geht ihre Linie ebenfalls auf Simon und Rosa zurück. Ihr Sohn, Johann (John) Simon Miller, wanderte mit seiner Familie in die USA aus und war der Urgroßvater von K.M.Q.

Ich habe erst kurz zuvor festgestellt, dass die Antoni-Schwestern mit uns auch durch Johannes Arnhold verwandt waren. Und jetzt etwa auch noch durch seine Frau?! Und wenn ja, dann wie?

Dann kam die Erleuchtung. Ich hatte mich vorher nie für die mütterliche Seite von V.A. und E.A.S. interessiert, weil wir mit ihnen nur über ihre väterliche Seite verwandt waren. Dachte ich jedenfalls. Ich fragte nach dem Mädchennamen der Mutter von V.A. und E.A.S. und bekam “Anna Miller” als Antwort. Plötzlich ergab alles einen Sinn! Ich schaute schnell im Stammbaum nach, wie viele Brüder meine Ururgroßmutter Sophia Miller hatte. Außer Johann Simon, gab es da noch Matthäus und Raimund. Dann fragte ich nach Anna Millers Patronym. “Anna Raimundowna” war die Antwort…

Das war es also!

Es stellte sich heraus, dass V. A. und E.A.S. mit unserer Familie über drei Linien verwandt sind, statt nur einer. Ihr Vater Klemens Antoni, war der Cousin 1. Grades sowohl von meiner Urgroßmutter Ottilia Arnhold als auch von ihrem Mann, meinem Urgroßvater Heinrich Antoni. Darüber hinaus war Ottilia auch noch die Cousine 1. Grades von Klemens’ Frau Anna Miller.

Für mich bedeutet das, dass die identischen DNA-Segmente, die meine Mutter, Onkel, Tante und ich mit V.A. und E.A.S. teilen, nicht eindeutig einer Linie zugeordnet werden können, da es eine Mischung aus Antoni, Arnhold und Miller Segmenten ist. (Erst nachdem die Chromosomen meiner Mutter und ihrer Geschwister mittels Visual Phasing in verschiedenen Familienlinien eingeteilt wurden, konnten auch diese DNA-Segmente einem konkreten Vorfahren zugeordnet werden.)

Die Kolonien in der Wolgaregion waren enge Gemeinschaften und es kam oft vor, dass innerhalb der Kolonie oder unter befreundeten Familien mehrfach geheiratet wurde. Der Gedanke dahinter war die Stärkung des Familienbundes. Es scheint aber so, dass darauf geachtet wurde, dass das Brautpaar selbst nicht miteinander verwandt war (zumindest nicht nah) so wie das bei Klemens und Anna oder meinen Urgroßeltern der Fall war, aber dennoch in die gleichen Familien eingeheiratet wurde, sodass die Nachkommen heute über mehrere Linien verzweigt sind.