Weihnachten steht vor der Tür, die Geschenke sind gekauft und liegen schön verpackt unter dem Weihnachtsbaum. Wie in den letzten paar Jahren werden sich darunter auch dieses Mal viele kommerzielle DNA-Tests befinden, denn der Hype aus den USA hat auch Deutschland längst erreicht, nicht zuletzt wegen der TV-Werbespots der großen Anbieter wie Ancestry oder MyHeritage. Meist stehen dabei Ethnizitätsschätzungen im Vordergrund, die nach einem harmlosen Spaß aussehen, wenn man die Ergebnisse mit seinen Verwandten oder Freunden teilt. In Wirklichkeit jedoch spielen die Herkunftsschätzungen eine eher untergeordnete Rolle, denn eine sehr viel größere Bedeutung kommt bei den DNA-Tests eigentlich dem sogenannten Verwandtschaftsmatching zu. Die Firmen stellen ihren Kunden nämlich eine Liste mit ihren genetischen Verwandten zur Verfügung, die ebenfalls einen solchen Test bei der gleichen Firma gemacht haben.
Anders als bei der Ethnizitätsschätzung, die auf Referenzpopulationen und Statistiken basiert und sich deshalb von Firma zu Firma unterscheiden kann, werden beim Verwandtschaftsmatching die DNA-Daten einer Person direkt mit den DNA-Daten aller anderen Personen in der Datenbank abgeglichen und je nachdem wie lang die identischen DNA-Segmente sind, der geschätzte Verwandtschaftsgrad der Personen zueinander angegeben. Je höher der Wert der gemeinsamen cM (centiMorgans) desto zuverlässiger und eindeutiger die Verwandtschaftseinschätzung. Eine DNA-Übereinstimmung von rund 3500cM lässt z.B. lediglich einen Schluss zu: es handelt sich dabei um eine Eltern-Kind-Beziehung (die einzige Ausnahme wäre der eineiige Zwilling des Elternteils). Und deswegen kann ein auf den ersten Blick harmlos erscheinendes Weihnachtsgeschenk in der einen oder anderen Familie tatsächlich zur Büchse der Pandora werden.
So auch für die 50-jährige Jenny aus Connecticut (den vollständigen BBC-Artikel kann man hier nachlesen), die zusammen mit ihrem Bruder einen DNA-Test machte, und für die eine Welt zusammenbrach, als das Ergebnis die beiden nur als Halbgeschwister einstufte. Sie hielt es zunächst für einen Fehler und bat auch die Cousine ihres Vaters um eine DNA-Probe. Doch es hätte eindeutiger nicht sein können: sie teilte mit dieser Frau überhaupt keine gemeinsamen DNA-Segmente, ihr Bruder dagegen schon. Sie testete zur Sicherheit auch die restlichen Geschwister, bevor sie ihre 86-jährige Mutter mit den Ergebnissen konfrontierte. Es sei das erste Mal gewesen, dass ihre Mutter vor ihr geweint habe, erzählt sie im Artikel. Die ältere Dame hatte wohl gehofft, ihr Geheimnis über eine außereheliche Affäre mit ins Grab nehmen zu können.