Wie ich herausgefunden habe, von welchen Vorfahren die DNA auf meinen beiden X-Chromosomen stammt

Anhand dieses Stammbaumes meiner Familie kann man sehen, welche Vorfahren zu der DNA auf meinen beiden X-Chromosomen beigetragen haben könnten. Die Farben stellen die durchschnittlich zu erwartenden Anteile dar:

Mein Ziel war es jedoch herauszufinden, wieviel DNA genau ich von welchen konkreten Vorfahren bekommen habe. Dazu müssen die X-Chromosomen vollständig gephast werden.

In meinem gestrigen Beitrag habe ich mittels Visual Phasing die X-DNA meiner Mutter, meiner Tante und meines Onkels ihren verschiedenen Großelternlinien zuordnen können. Nun möchte ich euch zeigen, wie ich anhand ihrer Ergebnisse und dem X-DNA-Vergleich mit meiner Halbschwester mütterlicherseits herausgefunden habe, von welchen Vorfahren die DNA auf meinem mütterlichen X-Chromosom stammt. Außerdem wird man sehen können, wie unterschiedlich die Weitervererbung der X-DNA unserer Mutter an mich und meine Halbschwester ausgefallen ist.

Von welchen Vorfahren ich die DNA auf meinem väterlichen X-Chromosom bekommen habe, weiß ich schon etwas länger. In meinem anderen Artikel (der im Moment nur auf Englisch verfügbar ist) habe ich über die Anwendung von Visual Phasing auf dem X-Chromosom meines Vaters und den X-Chromosomen seiner Geschwister geschrieben. Da ich als Frau ein unrekombiniertes X-Chromosom von meinem Vater erhalten habe, handelt es sich dabei um eine identische Kopie seines Chromosoms.

Deshalb muss ich jetzt nur mein mütterliches X-Chromosom phasen, welches aus den beiden X-Chromosomen meiner Mutter neu rekombiniert wurde:

Ich habe nur die Hälfte dieser DNA bekommen und möchte jetzt wissen, um welche konkreten DNA-Segmente es sich dabei handelt. Folgendes können wir schon mal festhalten:

Ein Kind kann nur die Segmente von einem Elternteil erben, die das Elternteil an einer bestimmten Position hat – allerdings nur von einer seiner beiden Chromosomenkopien, weil es sich dabei um rekombinierte DNA aus zwei Chromosomen des Elternteils handelt.

Das bedeutet, dass meine Mutter mir von Anfang bis 46Mb und von 118Mb bis zum Ende nur die DNA von Heinrich oder Sophia hätte weitervererben können. Und in der Mitte zwischen 46Mb und 118Mb hätte es nur die DNA von Ottilia oder Sophia sein können. Also z.B. ein Segment von 46Mb bis 70Mb von Sophia und das restliche Stück bis 118Mb von Ottilia oder umgekehrt. (Von Heinrich hätte mir meine Mutter in diesem Bereich aber keine DNA vererben können, weil sie dort selbst keine DNA von ihm bekommen hat.)

Als nächstes vergleiche ich bei GEDmatch mittels der Anwendung One-to-one X-DNA comparison mein mütterliches X-Chromosom mit dem meiner Halbschwester mütterlicherseits. Meine Schwester hat auch ein neu rekombiniertes X-Chromosom von unserer Mutter bekommen, welches die Hälfte der DNA ihrer beiden X-Chromosomen enthält. Nur müssen das teilweise ganz unterschiedliche DNA-Segmente gewesen sein, wie man das in unserem X-DNA-Vergleich unschwer erkennen kann:

Meine Schwester und ich haben auf unseren X-Chromosomen nur zwei halbidentische DNA-Segmente mit rund 81cM – die restliche DNA stammt von unterschiedlichen Vorfahren. Bei uns können nur gelbe und rote Segmente angezeigt werden, aber niemals komplett identische grüne Segmente, da wir Halbschwestern sind und unterschiedliche väterliche X-Chromosomen haben. (Bitte sich nicht verwirren lassen: Auch wenn in diesem Bild kleine grüne Stellen zu sehen sind, wird ein solches Bild als gelb/halbidentisch eingestuft. Und die blaue untere Leiste bedeutet nur, dass die angezeigten Segmente größer als 7cM sind.) Außerdem zeigt uns dieses Schaubild, dass es bei mir und meiner Schwester auf den X-Chromosomen insgesamt drei Rekombinationspunkte gibt – zwei eng beieinander liegende Rekombinationspunkte bei 8.9Mb und 9.5Mb und einen weiteren bei 52Mb.

Im nächsten Schritt müssen diese Rekombinationspunkte entweder mir oder meiner Schwester zugeordnet werden. Da wir keine anderen Geschwister haben, müssen wir hier auf Seitenverwandte ausweichen. Dazu wähle ich meine Schwester im Dropdown-Menü Extra View aus. Jetzt kann ich auf einem Blick sehen, wo überall ihre DNA mit allen drei Haas-Geschwistern übereinstimmt. (Mit unserer Mutter ist die DNA-Übereinstimmung wie bei allen Eltern-Kind-Vergleichen natürlich durchgehend.) Beim Vergleich mit meinem Onkel wird deutlich, dass es sich bei 8.9Mb um den Rekombinationspunkt meiner Schwester handeln muss. Das gemeinsame Segment der beiden beginnt nämlich bei 8.9Mb:

Bei etwa 9.5Mb muss es sich dagegen um meinen Rekombinationspunkt handeln, da die DNA-Übereinstimmung mit meinem Onkel bei mir etwas später anfängt als bei meiner Schwester:

Außerdem kann ich jetzt aus den Übereinstimmungen mit unserem Onkel schließen, dass die DNA meiner Schwester und mir ab unseren jeweiligen Rekombinationspunkten bei 8.9Mb und 9.5Mb bis zum Rekombinationspunkt unserer Mutter bei 46Mb von unserem Urgroßvater Heinrich stammen muss. Zusätzlich können wir das Segment auf beiden Chromosomen nach rechts bis 52Mb verlängern, da es erst an dieser Stelle zu einer Veränderung bei entweder meiner Schwester oder mir kommt. Auf diesem kleinen verlängerten Stück zwischen 46Mb und 52Mb muss die DNA bei uns beiden von Ottilia stammen (die DNA muss hier von der mütterlichen Kopie unserer Mutter stammen, denn die X-DNA ihres väterlichen Chromosoms hätte sie einer von uns erst ab 52Mb weitergeben können).

Von unseren jeweiligen Rekombinationspunkten nach links muss die X-DNA bei uns beiden von unserer Urgroßmutter Sophia stammen. Meine Mutter hätte uns an dieser Stelle am Anfang nämlich nur die DNA-Segmente von Heinrich oder Sophia weitergeben können. Da es am Anfang keine Übereinstimmung mit unserem Onkel gibt (weil er dort die DNA von Heinrich bekommen hat), muss die DNA bei meiner Schwester und mir an dieser Stelle von Sophia sein.

Diese Segmente kann ich jetzt in ein Schaubild eintragen:

Jetzt müssen wir nur herausfinden, um wessen Rekombinationspunkt es sich bei 52Mb handelt – um meinen oder um den meiner Schwester? Nur bei einer von uns kann es bei 52Mb eine Veränderung geben – also den Wechsel von dem mütterlichen X-Chromosom zum väterlichen X-Chromosom unserer Mutter. Das X-Chromosom einer von uns wird ab 52Mb somit die DNA des väterlichen Chromosoms unserer Mutter haben – also nur von Sophia. Auf dem X-Chromosom der anderen wird es weiter bis zum Ende nur die DNA des mütterlichen Chromosoms unserer Mutter geben – also von Ottilia und Heinrich. Welche Schwester hat also welches Stück geerbt? Welche das väterliche Chromosom unserer Mutter ab 52Mb und welche das mütterliche?

Diese Frage wird durch den Vergleich mit den Geschwistern unserer Mutter beantwortet. Ich muss diejenige sein, die einen Rekombinationspunkt bei 52Mb hat und nicht meine Schwester. Das sieht man daran, dass ich ab 52Mb keine DNA-Übereinstimmungen mehr mit meinem Onkel habe. Mit meiner Tante habe ich dort dagegen eine durchgehende Übereinstimmung, weshalb es sich dabei nur um die DNA von Sophia handeln kann.

Bei meiner Schwester ist es genau umgekehrt. Sie ist diejenige, die ab 52Mb nur die DNA von Ottilia und Heinrich bekommen hat und nichts mehr von Sophia. Ihr nahezu gesamtes X-Chromosom (bis auf ein kleines Stück am Anfang) ist eine Kopie des mütterlichen Chromosoms unserer Mutter.

An diesem Beispiel kann man gut sehen, wie unterschiedlich die Weitervererbung der DNA an die Kinder ausfallen kann. Mein mütterliches X-Chromosom enthält zu einem großen Teil die DNA einer Urgroßmutter, aber nur sehr wenig von einer anderen. Und meine Schwester hat auf diesem Chromosom bis auf ein kleines Segment fast ausschließlich die DNA von unserer Oma mütterlicherseits bekommen. Etwas mehr als die Hälfte ihrer X-DNA hat meine Schwester von unserem Urgroßvater Heinrich bekommen und da er sein X-Chromosom unrekombiniert von seiner Mutter erhielt, stellen die violetten Segmente die X-DNA unserer Ur-urgroßmutter Agnes Weltz dar, die 1852 geboren wurde!

Und so sieht mein Endergebnis aus:

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