Wie schön es sein kann, wenn Papierforschung durch die DNA bestätigt wird!

In Deutschland kann man die Familienforscher in zwei Gruppen einteilen – in jene, die die DNA-Genealogie in ihre Forschung miteinbeziehen und in solche, die sie ablehnen. Darin, dass die Forschung in den Archiven für einen soliden Stammbaum unerlässlich ist, sind sich aber beide Gruppen einig. “Es ist das A und O” würde man dazu von einem traditionellen Familienforscher hören. Ein DNA-Genealoge würde es dagegen etwas anders formulieren: “Die Archivforschung ist das A und die DNA-Genealogie das O”.

Die Einsicht, dass DNA-Genealogie und traditionelle Papierforschung als Teil eines Ganzen zu betrachten sind, gilt heute vor allem in den englischsprachigen Ländern als selbstverständlich. In Deutschland stößt man aber immer noch auf sehr viel Gegenwind und solche Aussagen wie: “Ich brauche keinen DNA-Test, denn mein Stammbaum ist zu 100% korrekt, weil ich alle Informationen aus den Kirchenbüchern habe!”

Es wird scheinbar verdrängt, dass Menschen, die früher schriftliche Quellen verfassten, die Gegebenheiten manchmal nicht vollständig oder nicht zuverlässig genug wiedergegeben haben könnten. Nicht viele Menschen wissen zum Beispiel, dass die Kirche in der Vergangenheit hin und wieder heimliche Adoptionen für kinderlose Ehepaare organisierte – mitsamt gefälschten Dokumenten – weil Kinderlosigkeit früher mit einem Stigma für ein Ehepaar verbunden war. Natürlich sollte man auf gar keinen Fall per se von der Unzuverlässigkeit einer schriftlichen Quelle ausgehen – sie per se auszuschließen darf man aber auch nicht! Fakt ist, dass schriftliche Quellen lügen können – die DNA tut es dagegen nicht.

Mittels der DNA-Genealogie können sogar auch sehr weit zurückliegende Familienlinien bestätigt werden. Für die folgenden Beispiele wähle ich aus diesem Grund die Vorfahren meiner Großmutter mütterlicherseits aus. Nahezu alle ihre Vorfahren stammen aus Beauregard und Katharinenstadt an der Wolga und konnten dank Kirchenbüchern und Volkszählungen bis zu den Erstsiedlern 1767 zurückverfolgt werden. (Mehrere Vorfahren meines Großvaters mütterlicherseits konnten inzwischen auch durch die DNA bestätigt werden. Aufgrund von fehlenden Unterlagen und starker Endogamie gibt es auf seiner Linie jedoch immer noch viele Lücken. Die Linien meines russischen Vaters kann ich im Moment nur bis zu meinen Urgroßeltern und drei Ur-urgroßeltern durch vier in der Datenbank gefundenen DNA-Treffer sicher bestätigen. Er hat nur sehr wenige gute Treffer und sie alle leben im Ausland, weil die DNA-Genealogie in Russland noch nicht weit verbreitet ist.)

In dieser Übersicht ist der Stammbaum meiner Großmutter bis zu ihren 16 schriftlich belegten Ur-urgroßeltern zu sehen:

Als die wolgadeutschen Kolonisten um 1870 herum ihren privilegierten Status verloren hatten, begann die Auswanderung nach Nordamerika. Die Nachkommen dieser Auswanderer interessieren sich heute ebenfalls für ihre Familiengeschichte und viele von ihnen machten zu diesem Zweck auch einen DNA-Test. Allein durch Ancestry konnte der Großteil der Ur-urgroßeltern meiner Großmutter bestätigt werden, weil es dort eine Funktion gibt, mit der automatisch nach Personen gesucht wird, mit denen es Übereinstimmungen sowohl in der DNA als auch im Stammbaum gibt. Und das funktioniert auch sehr gut, weil es bei Ancestry neben rund 16 Millionen autosomalen DNA-Datensätzen auch mehr als 100 Millionen Stammbäume eingestellt sind!

Hier ist die Bestätigung der Linie von meinem Ur-ur-ur-ur-urgroßvater Joseph Arnhold, dem Älteren (1783-1841). Mein direkter Vorfahre war sein Sohn Joseph Arnhold, der Jüngere, welcher Katharina Sophia Kuntzmann heiratete. Sein anderer Sohn war Jacob Arnhold, der später in die USA auswanderte:

Die sechs gefundenen DNA-Treffer sind Nachkommen dreier verschiedener Kinder von Jacob Arnhold, was die vorgeschlagene Verbindung in ihrer Zuverlässigkeit weiter bestätigt. Trotzdem sollte man zur Sicherheit oben rechts auf “evaluate” klicken, um sich zusätzliche Informationen anzeigen zu lassen. Einen weiteren Beweis für die Richtigkeit liefert sehr oft die geographische Angabe. Und diese Arnholds haben ihre Wurzeln in Beauregard an der Wolga, dem Geburtsort meiner Großmutter!

Im nächsten Beispiel ist die Bestätigung der Linie meiner Ur-ur-ur-urgroßeltern Leonhard Meis (geb. 1794) und Anna Maria Nürnberger (geb. 1797) durch Matthew, einen Cousin 5. Grades, der mit mir noch ein identisches DNA-Segment von 17cM (centiMorgans) teilt:

Matthew ist aber keineswegs der Einzige, der meine Abstammung von Leonhard Meis und Anna Maria Nürnberger bestätigen kann – er ist lediglich der Einzige, dessen Stammbaum weit genug zurückgeht, um für Ancestry die Verbindung von uns beiden zu erkennen. Nach weiteren genetischen Verwandten durch die Meis-Linie kann ich noch auf anderen Wegen suchen. Da es sich um einen weit zurückliegenden Vorfahren handelt, macht es hierfür mehr Sinn das Profil meiner Tante mütterlicherseits anstatt meines eigenen aufzurufen. Sie hat deutlich mehr Meis-Treffer als ich, weil sie eine Generation näher dran ist an unserem gemeinsamen Vorfahren der Meis-Linie.

Die ganze normale Suchfunktion ist auch äußerst hilfreich:

Noch hilfreicher ist die Shared Matches-Funktion. Dadurch lassen sich auch andere Nachkommen von Leonhard Meis und Anna Maria Nürnberger aufspüren – auch solche, die heute ganz anders mit dem Nachnamen heißen. Shared Matches ermöglicht uns nämlich genetische Cluster zu bilden. Also Gruppen von Menschen, die alle untereinander durch denselben Vorfahren bzw. Vorfahrenpaar verwandt sind. Leider stellt Ancestry seinen Nutzern keinen Chromosomen Browser zur Verfügung, denn die identischen DNA-Segmente hätte ich gut für das Chromosome mapping gebrauchen können!

Hier noch die Bestätigung der Linie von meinem Ur-ur-ur-urgroßvater Adam Weltz, geb. 1779:

Auf die gleiche Weise konnten auch unsere Staab, Hertlein und Mockstadt Vorfahren bestätigt werden. Und sogar die Linie von Simon Müller!

Die von Ancestry vorgeschlagenen Verbindungen sollte man aber auf jeden Fall immer nochmal selbst überprüfen – durch verfügbare Online-Dokumente, durch gemeinsame Herkunftsorte und durch die Shared Matches-Funktion bzw. genetische Cluster!