AUTOSOMALE DNA

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Als autosomale DNA (atDNA) wird die Erbinformation auf den ersten 22 Chromosomenpaaren bezeichnet. Sie wird zu gleichen Teilen von beiden Eltern vererbt und ist am aussagekräftigsten bei nahen Verwandtschaftsbestimmungen.

ALLGEMEINES

  • die DNA aller Menschen ist zu 99,9% gleich – für individuelle Unterschiede sind somit nur 0,1% verantwortlich (manchmal werden 99,5% angegeben; letztendlich ist es nur wichtig zu verstehen, dass die Unterschiede zwischen Menschen einen sehr geringen Teil der DNA ausmachen)
  • diese individuellen Unterschiede bzw. genetischen Varianten werden SNPs genannt
  • von den großen DNA-Firmen (23andme, Ancestry, FTDNA, MyHeritage und LivingDNA) werden um die 700.000 SNPs ausgewertet; welche SNPs getestet werden bestimmen die DNA-Firmen selbst, weshalb die getesteten SNPs von Firma zu Firma leicht variieren
  • wenn man also sagt, dass die DNA der Großeltern mit ihren Enkeln durchschnittlich zu 25% übereinstimmt, meint man damit die 25% von den ca. 700.000 SNPs – was einen Wert von ca. 1750cM (centiMorgans) ergibt.

Die DNA von Eltern/Kind und Vollgeschwistern stimmt zu 50% überein – ca. 3500cM

Mit jeder weiteren Generation gehen durchschnittlich 50% der DNA „verloren“.

Bei Großeltern/EnkelTante/Onkel/Nichte/NeffeHalbgeschwisternCousins 1. Grades von beiden Seiten (Doppelcousins) ist die DNA zu etwa 25% identisch.

Urgroßeltern/UrenkelGroßtante/Großonkel/Großneffen/GroßnichtenCousins und Cousinen 1. Grades teilen sich um die 12,5% identische DNA usw.

Je weiter entfernt die Verwandtschaft ist, desto größer sind die Abweichungen von den Durchschnittswerten. Ab Verwandtschaftsgrad Nichte/Neffe 3. Grades kann es sogar vorkommen, dass es gar keine DNA-Übereinstimmungen mehr gibt. Auf der anderen Seite ist es auch schon gelungen die Verwandtschaft mit einem Cousin 8. Grades mittels DNA herzustellen.

Manchmal kann auch ein einziges DNA-Segment über mehrere Generationen hindurch vererbt werden (früher bezeichnete man ein solches DNA-Segment umgangssprachlich als ein „sticky segment“). Deshalb sollte man bei seinen DNA-Treffern mit nur einem gemeinsamen DNA-Segment bei der Suche nach gemeinsamen Vorfahren besondere Vorsicht walten lassen. Dr. Kevin Borland hat zu diesem Thema einen sehr empfehlenswerten Artikel verfasst.

Bei kleinen DNA-Segmenten sollte man ebenfalls besonders gut aufpassen, denn es besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass es sich um IBS-Segmente (identical by state) handeln könnte und nicht um IBD-Segmente (identical by descent). Zu diesem Thema gibt es zwei sehr empfehlenswerte Artikel von Dr. Blaine Bettinger:

Shared cM Project

Bis Dezember 2018 wurden die Daten von 50.000 Personen ausgewertet, die freiwillige Angaben über identische cM-Werte ihrer bekannten Verwandtschaftsbeziehungen machten. Das Ergebnis ist ein sehr nützliches interaktives Shared cM Tool. Man gibt einfach die gemeinsamen cM-Werte mit einem DNA-Treffer ein und es werden einem sofort die möglichen Verwandtschaftsbeziehungen mit dieser Person angezeigt.

Die durchschnittlichen cM-Werte sind eine große Orientierungshilfe. Sie helfen Verwandtschaftstheorien aufzustellen, die jedoch erst durch mindestens einen zweiten unabhängigen Beweis – entweder auf dem Papier oder durch das Targeted DNA-Testing – bestätigt werden müssen.

Wie schon bereits erwähnt, kann es hin und wieder zu deutlichen Abweichungen von den Durchschnittswerten kommen, die man als Outlier bezeichnet. Hier sind einige Beispiele für die Abweichungen in meiner Familie. Die cM-Werte meiner getesteten Verwandten mütterlicherseits habe ich übersichtlich in einem McGuire-Schaubild dargestellt:

(Bild zum Vergrößern anklicken)

  1. Meine Halbschwester und ich teilen uns nur 1447cM identische DNA. Der Durchschnitt liegt bei 1783cM, der höchste bekannte Wert ist 2312cM. Vom niedrigsten bekannten Wert von 1317cM sind meine Halbschwester und ich gar nicht weit entfernt.
  2. Für eine Nichte 2. Grades habe ich mit 157cM deutlich weniger identische DNA mit T.A., als es zu erwarten wäre. Der Durchschnittswert ist mehr als doppelt so hoch – was fast dazu führte, dass ich meiner Urgroßmutter eheliche Untreue unterstellen wollte. Beim Vergleich mit anderen Verwandten merkte ich jedoch, dass es diese Abweichung von der Norm nur mit mir gibt und entschuldigte mich daraufhin im Geiste bei meiner Urgroßmutter…
  3. Obwohl E.C. eine Generation weiter von N.B. entfernt ist als ich, haben die beiden mit 152cM dreimal mehr gemeinsame DNA als N.B. und ich.
  4. Mit V.A. und E.A.S., den Cousinen 2. Grades meiner Großmutter teile ich dagegen überdurchschnittlich viel gemeinsame DNA. Ich stellte Nachforschungen an und fand heraus, dass wir über drei Linien verwandt sind, statt nur einer https://geneticgenealogygirl.com/de/2018/08/ein-beispiel-der-endogamie/.
  5. Mit 1615cM ist der Anteil gemeinsamer DNA viel zu hoch für Cousinen 1. Grades bei I.M. und E.A.B., aber genau richtig für Cousinen 1. Grades von beiden Seiten, was mir kurz nach dem Ergebnis bestätigt wurde.

Die Beispiele 1-3 sind klassische Outlier, die Beispiele 4 und 5 sind dagegen keine echten Outlier, da es eine Erklärung für die Abweichungen von der Norm gibt (Endogamie).

Endogamie vs. Ahnenschwund

Wenn immer wieder nur innerhalb einer geschlossenen Gemeinschaft geheiratet wird, bekommen die Nachkommen mehr gemeinsame DNA von ihren Vorfahren ab und haben dadurch höhere Durchschnittswerte. Beispiele für endogame Bevölkerungsgruppen sind die Amish people in den USA, Isländer, aschkenasischen Juden, aber auch Wolgadeutsche, die gern innerhalb der Siedlungs- und Nachbarskolonien geheiratet hatten. Vor allem trifft es aber auf die arabische bzw. muslimische Welt zu.

Während Ahnenschwund in einer endogamen Bevölkerung oft vorkommt, ist dieser Begriff trotzdem nicht mit Endogamie gleichzusetzen. Im McGuire-Schaubild oben sieht man, dass ich mit V.A. und E.A.S. über drei Familienlinien verwandt bin – es handelt sich um Endogamie. In meinem nächsten Schaubild handelt es sich dagegen um Endogamie mit Ahnenschwund, da Christian August Weltz und Carolina Hillenbach mehr als einmal in meinem Stammbaum vorkommen. Ich stamme sowohl von ihrer Tochter Dorothea Weltz, als auch von ihrem Sohn Adam Weltz ab. Adams Enkelin Agnes hat nämlich Dorotheas Urenkel Heinrich geheiratet. Somit sind Christian August Weltz und Carolina Hillenbach einmal meine Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßeltern und ein zweites Mal meine Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßeltern.

Noch etwas anschaulicher wird es beim Vergleich der Stammbäume meiner Großmutter mütterlicherseits Elisabetha Antoni und einer ihrer Cousinen 2. Grades V. Antoni. Auf der Ebene der 16 Ur-Urgroßeltern handelt es sich bei 14 von ihnen um die gleichen Personen. Das nennt man Endogamie.

Im Stammbaum von V. Antoni (aber nicht bei meiner Großmutter) kommen Johann Martin Meier, geb. 1793, und seine Frau Anna Elisabetha Wolf, geb. 1804, zweimal auf der Ebene der Ur-Urgroßeltern vor. Das nennt man Ahnenschwund.

Die 16 Ur-Urgroßeltern meiner Großmutter mütterlicherseits:

Die 16 Ur-Urgroßeltern von V. Antoni, einer der Cousinen 2. Grades meiner Großmutter:

AYPR-Tool (Are your parents related?)

Bei GEDmatch gibt es außerdem das AYPR-Tool, mit dem man feststellen kann, ob die eigenen Eltern miteinander verwandt sind. Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand mithilfe dieses Tools vom Inzest in der Familie erfahren hat, wie in diesem Fall HIER.

Das hier sind Screenshots von einem Mann, dessen Eltern aus einer endogamen wolgadeutschen Kolonie kamen und miteinander verwandt waren. Insgesamt sind 61cM auf seinen beiden Chromosomen identisch. Um herauszufinden, in welchem Verwandtschaftsgrad seine Eltern zu einander standen, sollte man diesen Wert mit 4 multiplizieren 61×4=244cM. Das würde bedeuten, dass die Eltern dieses Mannes mit großer Wahrscheinlichkeit Cousin und Cousine 2. Grades waren.

Letztes Update erfolgte am 05.08.2023

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